hörenWie sieht der Alltag in einer Buchhandlung aus? ein Radiointerview mit Paula Bolyos [ChickLit] von Mustafa Arslan, Mohammad Bahram und Hakan
Die erste Frage lautet: Was ist ChickLit?
Paula Bolyos: ChickLit ist eine feministische Buchhandlung. Also wir verkaufen Bücher, verschiedene, Romane, Wissenschaft, alles Mögliche, was auf Frauen bezogen ist und auf Feminismus. Und wir machen auch Veranstaltungen, das heißt wir veranstalten ungefähr einmal im Monat eine Lesung mit Autorinnen.
[0:18] Und wer steht hinter ChickLit?
Paula Bolyos: ChickLit ist eigentlich über einen Verein organisiert. Das heißt das machen meine Kollegin, die Jenny, und ich. Und manchmal arbeitet noch jemand mit zur Unterstützung im Geschäft.
[0:33] Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine feministische Buchhandlung aufzumachen also zu eröffnen?
Paula Bolyos: Also es hat ja in Wien bis 2007 das Frauenzimmer gegeben. Das war eine feministische Buchhandlung, in der ich auch mitgemacht hab. Und das musste dann 2007 schließen, eigentlich vor allem aus finanziellen Gründen. Und ich hab dann längere Zeit in anderen Buchhandlungen gearbeitet, und da ist mir aber immer abgegangen, also es gab nie viel feministische Wissenschaft oder viele Bücher von Frauen, oder halt ja, feministische Bücher und da hab ich mir gedacht, er wär schön, wieder eine Buchhandlung zu haben, in der das Thema konzentriert ist. Und da ergab sich die Gelegenheit, diesen Raum zu übernehmen, in dem vorher die älteste feministische Zeitschrift Österreichs, eine der ältesten feministischen Zeitschriften drin war, die haben aufgehört damit und wollten, dass der Verein weiter feministisch geführt wird. Und das haben wir übernommen und haben uns dann gedacht, dann machen wir eben die feministische Buchhandlung, die wir uns eigentlich wünschen.
[0:27] Wir reden ja die ganze Zeit über Feminismus. Können Sie vielleicht den Begriff definieren?
Paula Bolyos: Ja, also ich find, dass es recht schwierig zu definieren ist, weil es sehr viele verschiedene Begriffe von Feminismen gibt. Wichtig ist für mich ist einfach so eine Gleichstellung in der Gesellschaft, nicht nur einfach von Frauen, sondern auch von Frauen, die zum Beispiel ärmer sind, Frauen, die nicht weiß sind, Frauen, die andere Religionen haben, Frauen, die lesbisch sind … also ich find, die ganzen Unterschiede von Frauen, das sollte alles in einer Gesellschaft gleichberechtigt sein. Und darauf zielt für mich der Feminismus ab.
[2:00] Und was wollt ihr mit der Buchhandlung erreichen, also das Ziel?
Paula Bolyos: Naja, das ist so, also wir wollen, wir wollen schon, dass sowohl die Autorinnen, die Bücher schreiben, also dazu kommen, diese Bücher vermitteln zu können und auch zu verkaufen, und … die Ziele, gell? Also wir wollen, dass Frauen ihre Bücher präsentieren können, die sie schreiben, also wirklich in einer guten Umgebung, wo’s viel davon gibt. Und auch, dass Menschen, also ganz egal – Frauen, Männer – dazu kommen, auch feministische Wissenschaft wirklich so bisschen gesammelt vorzufinden, also so zu sehen, was es alles gibt zu einem Thema und dann auch wirklich recherchieren zu können. Also wir möchten ja auch Beratung hier bieten, damit sich die Leute wirklich mit dem Thema auseinandersetzen können, wenn sie das wollen.
[2:53] Also die nächsten Fragen beziehen sich auf die Bücher allgemein. Also wie viele Bücher habt ihr derzeit im Angebot?
Paula Bolyos: Ich würd sagen, dass wir so zwischen zwei- und dreitausend Büchern haben. Ich kann’s wirklich ganz schwer schätzen, wie viele an der Zahl das sind. Es ist kein sehr großes Sortiment, aber wir wählen immer wieder aus und es wächst schön langsam.
[3:13] Welche Art von Büchern wird hier in dieser Buchhandlung verkauft? Welche Themen werden angesprochen?
Paula Bolyos: Also verschiedene Wissenschaftsthemen. Das ist zum einen Theorie, feministische Theorie, dann Geschichte, also alles, was es zu Frauenbewegungen gibt, auch eben ja, zur Theorie des Feminismus, dann verschiedene Sachen zu Gewalt an Frauen zum Beispiel haben wir. Und dann haben wir, abgesehen von den theoretischen Themen haben wir Romane, also Belletristik, aus unterschiedlichen Ländern schauen wir dass wir haben. Und wir haben auch Bücher für Jugendliche und Kinder, und kleine Kinder.
[3:48] Also da wir in einer feministischen Buchhandlung sind: Gibt es irgendwie irgendein Einführungsbuch zum Thema Feminismus, das allgemein beschrieben wird und die ursprüngliche Geschichte, wie es anfängt, die ganze Geschichte?
Paula Bolyos: Es gibt ein sehr umfassendes Buch, das ist das „Handbuch zur Frauen- und Geschlechterforschung“. Also da ist dann wirklich alles beschrieben, also ganz viele verschiedene Strömungen, ganz viele Felder, in denen Feminismus praktisch bearbeitet wird, und auch die Geschichte. Das ist sehr, sehr groß und sehr umfassend. Und dann gibt es ein bisschen kleinere, die halt einfach so beschreiben so die Geschichte der Frauenbewegung oder die Geschichte des Feminismus, aber sehr, ganz kurz beschrieben, das sind auch sehr gute Einführungsbücher. Zum Beispiel von der Michaela Karl gibt’s eins, das ist die „Geschichte der Frauenbewegung“, oder es gibt „Feministische Theorie zur Einführung“, Becker-Schmidt heißt die Autorin, ja, es gibt ein paar solche, ja, mhm.
[4:45] Also meine nächste Frage lautet: Ist die Buchhandlung ausschließlich für die Frauen?
Paula Bolyos: Nein, die Buchhandlung ist nicht ausschließlich für Frauen. Wir wollen gern, dass alle Menschen reinkommen, die reinkommen wollen und sich auch mit dem Thema beschäftigen. Wir haben auch grad nämlich auch für Jugendliche und Kinder haben wir, schauen wir vor allem, dass wir für Mädchen und Buben auch interessante Sachen haben, das geht ja auch, die sich auch mit dem Thema Feminismus beschäftigen oder halt aus dem Feminismus heraus geschrieben wurden.
[5:10] Wer sind die hauptsächlichen Klienten der Buchhandlung? Also kannst du das definieren oder so irgendwie?
Paula Bolyos: Das find ich eigentlich recht schwierig zu definieren, weil wir sehr gemischte Kunden und Kundinnen haben. Wir haben Leute, die wissenschaftlich arbeiten, das, wir haben Studierende von Universitäten, wir haben Familien mit Kindern, die herkommen und schauen, und sonst eigentlich wirklich ganz, ganz gemischt. Also grad auch bei den Leuten, die Romane kaufen, ist das wirklich ganz, ganz bunt gemischt.
[5:41] Und das nächste Kapitel wird über die Buchhandlung als Arbeitsort. Die erste Frage lautet: Wie schaut ein Alltag in dieser Buchhandlung aus?
Paula Bolyos: Also wir müssen einmal in der Früh, wenn wir kommen, alles herrichten, Licht aufdrehen und Sachen rausstellen, wie ihr gesehen habt. Dann drehen wir den Computer auf und schauen, ob es Bestellungen gibt per Mail, die oft am Abend kommen. Wenn’s Bestellungen gibt, dann müssen wir diese Programme starten, in denen wir die Bücher nachschauen können und schauen nach, ob die Bücher lieferbar sind, antworten den Kunden und Kundinnen. Dann kommen meistens die Lieferungen am Vormittag, von zwei verschiedenen Speditionen. Die bringen die Bücher, die müssen wir dann auspacken, Preise draufkleben, schauen, ob das Bestellungen sind oder für das Sortiment sind. Dann kommen zwischendurch natürlich Kunden und Kundinnen rein, (lachend) hoffentlich, wenn’s gut geht, und dann beraten wir und verkaufen Bücher. Dazwischen müssen wir natürlich auch immer Buchhaltung machen, also die Finanzen, also die Rechnungen bezahlen, schauen, was schon bezahlt worden ist, schauen, welche Rechnungen von Kund_innen bezahlt worden sind, vielleicht Bücher verschicken. Und dann ein wichtiger Punkt ist auch, neue Bücher auszuwählen. Zweimal im Jahr dauert das so ein, zwei Monate, dass wir alle … Also von den Verlagen kommen Verlagsvorschauen, die wir durchschauen. Das sind so Hefte, wo die Neuerscheinungen drin stehen, die schauen wir durch, wählen aus, was wir brauchen können. Und dann kommen Vertreter_innen von den Verlagen und wir sagen denen, was wir alles bestellen wollen. Das sind verschiedene Vertreter und Vertreterinnen, die jeweils so zirka zehn bis zwanzig Verlage haben, und denen müssen wir dann sagen, was wir alles brauchen.
[7:16] Nur eine Zwischenfrage: Wie lange arbeiten Sie denn am Tag?
Paula Bolyos: Naja, das ist schon unterschiedlich. Wenn’s grad so eine Zeit ist, wo mehr zu tun ist, dann eher so neun, zehn Stunden, manchmal sind’s auch … können wir’s uns auch gut aufteilen, dann sind’s weniger. Acht Stunden haben wir jedenfalls geöffnet. Und manchmal, wenn nicht so viel los ist, dann sind’s auch wirklich nur diese acht Stunden.
[7:39] Und wie finden Sie Ihren Job? Also können Sie vielleicht die Vorteile und die Nachteile vortragen?
Paula Bolyos: Mhm. Also die Vorteile sind schon, dass ich, ich arbeite sehr gerne mit Büchern, ich lese auch sehr gerne, mich interessiert, was es Neues gibt am Buchmarkt, das find ich sehr spannend, ich freu mich, wenn Leute kommen, mit denen ich mich auch über Bücher unterhalten kann, das ist sehr schön. Es ist halt viel Arbeit und es ist nicht sehr gut bezahlt, das sind die Nachteile. Also es ist irgendwie … Es kommt mit Büchern nicht so viel Geld rein, dass man davon wirklich gut leben kann oder so.
[8:13] Braucht man für diesen Job eine bestimmte Ausbildung?
Paula Bolyos: Nein, die … bei den … nein, das braucht man eigentlich nicht. Es gibt eine Buchhandelslehre, die man machen kann, das ist sicher ein Vorteil, also ich hab keine, (lachend) ich hab, ich hab alles gelernt in den Buchhandlungen, in denen ich gearbeitet hab. Aber es ist natürlich einfacher anzufangen, wenn man schon diese Ausbildung hat. Also sonst muss man sich selbst in alles einarbeiten. Aber das geht auch, also das ist eigentlich, wenn man eine Weile in Buchhandlungen arbeitet, dann kommt man da schon rein.
[8:41] Das war’s. Wir bedanken uns, dass sie …
Paula Bolyos: Ja …
Also danke für Ihre Bereitschaft!
Paula Bolyos: Ja, gerne!
In Zusammenarbeit mit Paweł Kaminski
lesenEin Fenster in eine Welt, die man sonst nicht siehtBernhard Cella betreibt im siebten Wiener Gemeindebezirk den [Salon für Kunstbuch]. Im Interview sprach er über die Arbeit im Bereich zwischen Buch und Kunst. Die Fragen stellte Marko Torbica. Dalibor Radosavljević erarbeitete daraus diesen Text.
Warum interessieren Sie sich für Bücher?
Bücher sind sehr gute Informationsquellen, besonders im Kunstbereich, wie zum Beispiel Ausstellungskataloge oder Dokumentationen. Bücher haben mich immer interessiert, und es macht mir Spaß, mit ihnen umzugehen. In den meisten Publikationen kann man viel von dem wiederfinden, was eine Gesellschaft in der Vergangenheit oder Gegenwart beschäftigt.
Was ist oder will der "Salon für Kunstbuch"?
Dieser Ort ist für mich so etwas wie ein Fenster in eine Welt, die man sonst nicht sieht. Ich habe hier über 9.000 Titel. An diese Bücher kommt man gar nicht heran, wenn man die Leute nicht kennt. Im besten Fall soll der Salon eine Plattform sein, ein Tisch, auf dem die Dinge aufliegen.
Wie sehen Sie die Zukunft des Buches?
Ich glaube, in fünfzig Jahren machen alle Bücher. In Japan zum Beispiel haben viele Leute zu Hause eine ganz einfache Druckmaschine zum Selber-Büchermachen stehen. Das heißt jede/r hat schon mal ein Buch gemacht, wodurch das Ganze auch einen bestimmten Stellenwert hat. Denn durch das Büchermachen findet man eine eigene Form, wie man sich selbst ausdrücken und die eigenen Ideen anderen weitergeben kann.
Was halten Sie vom E-Book, das ja jetzt groß im Kommen ist?
Das funktioniert für manche Dinge sehr gut, ich find es aber ein bisschen langweilig, weil es immer gleich aussieht. Da geht viel verloren, weil nur noch der Inhalt und nicht die Form zählt.
In welchen Sprachen bieten Sie Bücher im "Salon für Kunstbuch" an?
Die meisten sind auf Deutsch und Englisch, aber ich habe auch Bücher in Französisch, Spanisch, Kroatisch, Türkisch, Georgisch, Serbisch u.v.m. Es gibt hier sehr viele Sprachen und auch sehr viele verschiedene Themen, zum Beispiel einen Transgender-Filmkalender aus London oder ein Buch eines Künstlers aus der Schweiz, der militärische Schießstände fotografiert und dazu mit den Leuten geredet hat, wie es ihnen geht, wenn sie dort immer wieder hin müssen, um ihre verpflichtenden Schießübungen zu absolvieren. Das ist ein freies Spiel, jede/r beschäftigt sich damit, wozu er/sie Lust hat.
Kann man mit Büchern Geld verdienen?
Die meisten, die das machen, verdienen mit dem Buch selbst kein Geld. Das Buch ist vielmehr ein Kommunikationsmittel, mit dem wir uns austauschen.
In Zusammenarbeit mit Vina Yun
tunWie entsteht ein Buch?
Dokumentation von Nicht genug gesagt ein Buch von Danawit Berhe, Daniela Capata, Nihal Cirkin, Hanna de Cillia, Taisa Idigova, Antonia de Jesus Jose, Rahna Mohammadi, Catalin Oprisan, Rahimi Sima, Hassan Rezahi und Aytetey Tavlueva [m.power].